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Neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel von Ozean, Kontinent und Atmosphäre vor 2,7 Milliarden Jahren

Prof. Michael Bau veröffentlichte seine Ergebnisse kürzlich in den renommierten Zeitschriften „Nature Communications“ und „Earth and Planetary Science Letters“. (Quelle: Jacobs University)

 

13. Juni 2022
 
Die Erde ist ein dynamischer Planet, der sich über die Jahrmillionen stark verändert hat. Um diese Veränderungen zu erkennen, zu verstehen und aus ihnen Prognosen abzuleiten, braucht es Archive, die diese Informationen gespeichert haben. Die Temagami BIF, eine Gesteinsformation im kanadischen Ontario, ist ein solches Geo-Archiv. Eine europäische Forschungsgruppe unter Beteiligung von Dr. Michael Bau, Professor für Geochemie an der Jacobs University, hat diese Formation erstmals mit hochpräzisen geochemischen Methoden untersucht. Die Ergebnisse wurden kürzlich in den renommierten Zeitschriften „Nature Communications“ und „Earth and Planetary Science Letters“ veröffentlicht.

Eine gebänderte Eisenformation (banded iron-formation, BIF) mit Bändern aus Eisenoxid (dunkel) und Quarz (hell), die vor 2700 Millionen Jahren am Meeresboden abgelagert wurden. (Quelle: Jacobs University)

Wie sah die Erde vor 2,7 Milliarden Jahren im Vergleich zu heute aus? Wie war die chemische Zusammensetzung der Ozeane und der Atmosphäre? Wann hat sich auf der Erde Leben entwickelt, das genug Sauerstoff produzierte, um die Umwelt auf den Landmassen nachhaltig zu verändern? Wie funktionierte das Zusammenspiel von Erdmantel und Erdkruste? Dies alles sind entscheidende Fragen zum Verständnis unseres Planeten.

Die Gesteinsformation der Temagami BIF gibt Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen. Das Kürzel BIF steht für Banded Iron-Formation, also für Sedimentgesteine mit Bändern von Quarz und Eisenoxiden, die sich in der Frühzeit der Erde am Meeresboden gebildet haben. An diesen Gesteinen konnten die Forschenden aus Deutschland, Österreich und Dänemark zeigen, dass sich die eisenreichen Bänder im Meerwasser gebildet haben, wenn das Wasser durch heiße Lösungen aus Tiefseequellen stark beeinflusst wurde. Diese sogenannten Schwarzen Raucher gibt es heute noch an den mittelozeanischen Rücken.

Während die Eisenbänder Informationen über den Erdmantel und die Tiefsee liefern, enthalten die helleren Quarzbänder in den BIFs Informationen über die Kontinente und über die Umweltbedingungen auf den Landmassen. Denn sie entstanden, als das Meerwasser durch Flüsse, also durch den Eintrag von Land, dominiert wurde. Das ergab die Bestimmung der Germanium-Silizium-Verhältnisse an der Universität Kiel.

Für die Eisen- und die Quarzbänder untersuchten Forscher:innen der Universität Kopenhagen und der Jacobs University dann die Chrom-Isotopie und die Thorium-Uran Systematik. Die Ergebnisse für die Quarzbänder zeigen, dass es, anders als in der Tiefsee, auf den Landmassen Regionen gab, in denen Organismen schon vor 2.700 Millionen Jahren genug Sauerstoff produzierten, um Chrom und Uran zu oxidieren und in größeren Mengen ins Meer zu transportieren. „Es ist überraschend, dass dies in dieser Region offensichtlich schon über 200 Millionen Jahre vor dem eigentlichen großen Oxidationsereignis, dem “Great Oxidation Event“, passierte“, sagt Michael Bau, “Die Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass es schon vorher Sauerstoffoasen auf der frühen Erde gegeben hat.“

An der Universität Wien bestimmten die Wissenschaftler:innen mit einer hochpräzisen Methode die Isotopenverhältnisse von Wolfram-182 zu -184, die ebenfalls feine Unterschiede zwischen den Eisen- und den Quarzbändern zeigen. Wolfram-182 entsteht durch den radioaktiven Zerfall von Hafnium-182, das aber durch seine sehr kurze Halbwertszeit schon kurz nach der Entstehung der Erde komplett zerfallen und damit wieder verschwunden war. Expert:innen sprechen hier von einem erloschenen oder ausgestorbenen Isotopensystem. Da die Eisenbänder Informationen über den Erdmantel, und die Quarzbänder Informationen über die Erdkruste liefern, erlauben diese feinen Unterschiede Rückschlüsse auf die Vermischungs- und Homogenisierungsprozesse in unterschiedlichen Regionen des Erdinnern.

Die Temagami BIF in Kanada ist ein bedeutendes Geo-Archiv, das durch die Zusammenarbeit vieler Geochemiker:innen mit ihren verschiedenen analytischen Methoden wertvolle Hinweise auf die Entwicklung der Erde liefert. Dies hilft die Entwicklung unseres Planeten mit seinen Ozeanen und seiner Lebenswelt zu verstehen. Nur dieses Verständnis wird es erlauben, die Ressourcen der Erde als Rohstoffe nachhaltig zu nutzen und gleichzeitig das System Erde als unseren natürlichen Lebensraum zu erhalten.

Publikationen:
Earth’s geodynamic evolution constrained by 182W in Archean seawater.
https://www.nature.com/articles/s41467-022-30423-3
High-resolution Ge-Si-Fe, Cr isotope and Th-U data for the Neoarchean Temagami BIF, Canada, suggest primary origin of BIF bands and oxidative terrestrial weathering 2.7 Ga ago
https://authors.elsevier.com/a/1f1Pp,Ig4RIxd

Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Michael Bau | Professor für Geochemie
m.bau [at] jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-3564

 
Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1.600 Studierenden stammen aus mehr als 110 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.

Kontakt:
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